Obwohl ich seit meiner Kindheit den Raum der Schwäbischen Alb unsicher gemacht habe, überrascht sie mich doch immer wieder aufs Neue. So auch an jenem Morgen, als ich mich auf zum Blautopf bei Ulm machte. Ich hatte diesen Ort mit dem verzaubert klingenden Namen schon oft besucht, doch mein Freund Jan war der Quelltopf am Ostrand der Alb noch gänzlich unbekannt. Und da ich erst am Mittag an die Uni musste, nutzten wir die Chance für einen Start in den Tag in der Natur. Bald fanden wir uns deshalb auf den sich durch Täler und über Hochplateaus schlängelnden Straßen des Mittelgebirges wieder. Der Raureif auf den Feldern glitzerte während der ganzen Fahrt im Scheinwerferlicht.

Das Ziel Blaubeuren – ihr seht der Name ist Programm – war schnell erreicht. Umgeben von uralten Fachwerkhäusern und unter einer dichten Decke aus Nebel, die sogar den hohen Klosterturm im Nichts verschwinden ließ, kam ich mir vor wie in ein Märchen versetzt. So früh am Morgen war dort alles noch ruhig, menschenleer und ohne Hektik, in diffuses Licht getaucht, das nur an einem Nebeltag entstehen kann. Selbst die Vögel lagen noch in den Federn und schwiegen. Doch dann - beim ersten Blick auf den Blautopf - stockte mir der Atem.

Nicht vor Kälte, nein, sondern aufgrund des Anblicks, der sich uns bot: Über dem leicht oberhalb einer alten Hammermühle liegenden Quelltopf waberten dichte Nebelschwaden. Es sah ganz so aus, als würde dieser aus dem Wasser steigende Nebel langsam aber sicher die Kleinstadt und danach das ganze Tal bedecken. Ein magischer Moment und kein Wunder, dass sich um den Blautopf zahlreiche Sagen von Nixen und Wasserfrauen ranken. Wer weiß, welche Wesen uns an diesem Morgen aus dem tiefblauen Wasser heraus beobachteten.

Mit den ersten Sonnenstrahlen verflüchtigte sich der Nebel langsam. Passend zum orangegoldenen Licht, das nun die Bäume zum Leuchten brachte, fing nach und nach um uns herum das Leben an. Erst kündigte Vogelgezwitscher vom Beginn des Tages, dann erwachten auch die Menschen. Doch niemand hatte dieses Schauspiel des tanzenden Nebels über dem Blautopf gesehen – niemand außer uns. Auf dem Rückweg war der Raureif, der das Gras zuvor silbern gefärbt hatte, dann verschwunden. Von der Sonne verdampft stieg er auf in einen blauen und klaren Himmel. Nur wo noch Schatten war, blieb etwas von der Kälte übrig. Kann gut sein, dass ich an diesem Morgen etwas von der Energie der Sonne und der umher wirbelnden Schwaden in mich aufgenommen habe. Denn die Vorlesung überstand ich sogar ohne die sonst üblichen Tassen Kaffee.