Als die Durchsage kam saßen wir gerade beim Abendessen. Wie von der Tarantel gestochen bin ich losgerannt und habe Jacken und Mützen für meinen Uropa und mich aus unseren Kabinen geholt. Wieder zurück am Esstisch habe ich mir meinen Uropa geschnappt und wir sind raus auf’s Deck. Und da waren sie, majestätisch und kräftig strahlten die Nordlichter über den gesamten Himmel. „Cool, oder?“, fragte ich meinen Uropa, aber er antwortete gar nicht, sondern schaute nur wie gebannt nach oben.

Vier Tage zuvor waren wir losgezogen, um genau diesen Moment erleben zu dürfen. Dafür sind wir erstmal nach Bergen geflogen. Bergen empfing uns, wie Bergen die meisten ihrer Besucher begrüßt; mit Regen. Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen ersten Tag an der NTNU, der Universität in Trondheim, an der ich 2013 studiert habe. Während unserer aller ersten Veranstaltung - einer Art Willkommensabend - wurde uns erklärt, warum der Rest des Landes die Bergener nicht mag. Die nationale Wetterstation sitzt nämlich dort und der Mythos besagt, dass, weil das Wetter dort so schlecht ist, sie dafür sorgen würden, dass der Rest des Landes auch leiden muss. Ob das wahr ist, kann ich natürlich nicht mit abschließender Sicherheit sagen. Den vielen Regen kann ich allerdings bestätigen. Gut, dass wir gleich nach Ankunft auf unser Hurtigruten-Schiff konnten und noch am selben Abend abgefahren sind.

Als Erstes fiel an Bord das Essen auf. Denn irgendetwas stimmte damit nicht. Ich rätselte während unseres ersten Abendessens eine Weile vor mich hin, bis es mir wie Schuppen von den Augen viel - Das Hühnerfrikassee schmeckte viel zu gut! Das Essen war fantastisch! Sehr untypisch für Norwegen…. Auf den Schock sind wir erstmal in die Bar gegangen und wollten ein Bier trinken. Da das billigste schlanke 10€ gekostet hat, sind wir auf Tee umgestiegen und haben die Aussicht genossen.

Den ersten Morgen an Bord verbrachten wir zum größten Teil im mir bis dorthin unbekannten Hjørundfjord. Eine fantastische Landschaft, geprägt von extrem steilen Felswänden, die bis zum Wasser herunterreichen. Dann ging es weiter in Richtung der wunderschönen Küstenstädte Ålesund und Molde bis nach Trondheim - der mit Abstand schönsten, besten, wirtschaftlichsten und traditionsreichsten Stadt in ganz Norwegen. Das hat man mir jedenfalls an der Uni erzählt…. Unser Landgang war zwar von Regen geprägt, aber das hat Uropa und mich nicht aufgehalten. Eingepackt in dicke Mäntel und Decken sind wir durch die schönen Straßen der Altstadt gewandert und ich habe meinem Uropa ein paar meiner Lieblingsecken gezeigt. Dann wurde es auch schon wieder Zeit für das seniorenfreundliche Abendessen um 17.30 Uhr und für uns ging es weiter durch den beeindruckend schmalen Stokksund und Richtung Polarkreis. Die Überquerung des Polarkreises wollte ich unbedingt live miterleben. Also bin ich am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe aufgestanden und bin raus auf’s Deck spaziert. Wow, hat sich das gelohnt! Perfekt wurde dieser Moment durch einen atemberaubenden Sonnenaufgang und die anschließende Polarkreistaufe. Der nordische Gott Njord stattete dem Schiff ein Besuch ab und alle, die den Polarkreis zum ersten Mal überquerten, durften zur Polarkreistaufe antreten. Eine sich mir nicht vollständig erschließen wollende Zeremonie, bei der einem große Mengen Eiswasser in den Nacken gekippt werden - tolle Tradition. Opa freute sich währenddessen diebisch und schoss fleißig Fotos.

Später haben wir uns dann noch den schönen Hafen von Bodø angeschaut und anschließend die Segel Richtung der berühmten Lofoten gesetzt. Nach dem Abendessen war es dann endlich soweit! Durch die Bordlautsprecher wurde die massive, über 1000km lange Lofotenwand angekündigt und die romantischen Fischerdörfer an diesem magischen Ort angepriesen. Opa und ich haben also fleißig hinaus geschaut und staunten nicht schlecht, als wir unsere eigenen Spiegelbilder in der Fensterscheibe sahen. Leider war es bereits stockdunkel… Die Lofoten müssen wir uns also ein andermal anschauen. Sie sollen aber wirklich sehr schön sein, wie ich gehört habe.

Kaum eine Stunde später wurden wir dann allerdings mehr als entschädigt! Die Nordlichter schienen hell und grün über unserem Schiff. Wir hatten unser Ziel erreicht. Uropa wollte Nordlichter sehen, bevor er 100 Jahre alt wird und nach 99 Jahren, 10 Monaten und 14 Tagen war es endlich soweit. Die Tage wurden daraufhin merklich kürzer und nach einem kurzen Boxenstopp in Tromsø - Ausgangspunkt etlicher Polarexpeditionen - kamen wir endlich auf Magerøya an! Magerøya? Ja, das ist die Insel, auf der das weltbekannte Nordkapp beheimatet ist. Ein wirklich toller Anblick. Bei perfektem klaren Wetter standen wir dann samt 200 weiteren Touristen am berühmten Globus, dem Tor zur Arktis, dem Ende der Welt. An dieser Stelle musste ich dann doch ein wenig innehalten. Vor nicht einmal einem Jahr Stand ich am Cape Agulhas, dem südlichsten Punkt des afrikanischen Kontinents - dem Südpol näher als meinem Zuhause - und nun stand ich am Nordkapp, ca. 215 Autostunden und gut 16000km entfernt. Da war ich mal kurz beeindruckt.

In Kirkenes an der russischen Grenze, ging unsere Reise an Bord der MS Nordkapp dann zu Ende. Fast hätten wir noch unseren Bus zum Flughafen verpasst, weil mehrere Mitreisende auf Uropa zukamen und ihm versicherten wie toll sie seine Unternehmenslust fänden. Uropa fand die Reise übrigens super. Nur ein bisschen kalt war es, da oben im Norden. Deswegen will er für die nächste Reise jetzt nach Portugal, da sei es wärmer. Na dann!